„Die Zeit wird kommen, wo unser Schweigen stärker ist, als die Stimmen, die Sie heute erdrosseln.“ – August Spies, hingerichtet im November 1887
Es wird mal wieder Zeit auf die Straße zu gehen, der erste Mai steht vor der Tür. Da lässt sich jetzt die Frage stellen, warum eigentlich sollte mensch das eigentlich noch machen? Ist das nicht ein völlig abgedroschenes altes Ritual?
Die Geschichte des ersten Mai als Kampftag der Arbeiterklasse begann mit einem nie aufgeklärten Bombenanschlag während einer Demonstration am 4. Mai 1886 in Chicago.
Dieser Anschlag wurde als Rechtfertigung herangezogen um gegen sieben Anarchisten, die nachweislich nichts mit dem Anschlag zu tun hatten, die Todesstrafe zu verhängen. Die Begründung war das der Bombenanschlag aufgrund der Ideen der Männer verübt worden wäre und das sie daher ebenso schuldig seien wie der eigentliche Täter. Ob die Bombe nur aufgrund dieser Ideen geworfen wurde, oder vielleicht auch weil die Polizei am Tag zuvor bei der Auflösung eines Streiks sechs Arbeiter erschossen hatte, lässt sich nicht mehr klären. Der Richter der die Todesurteile verkündete war wohl der Meinung, dass bestimmte Ideen gefährlicher sind als jede Bombe.
Es sind eigentlich nur ein paar einfache Ideen die so gefährlich sind: Die Idee, dass Menschen frei und selbstbestimmt zusammen leben können, die Idee, dass Herrschaft uns die Menschlichkeit raubt, egal ob wir herrschen oder beherrscht werden und die Idee, dass jeder Mensch das Recht auf ein Leben in Würde hat.
Aber sind diese Ideen heute noch Relevant? Leben wir nicht in einem demokratischen Rechtsstaat der unsere Freiheiten garantiert? Hat sich die Welt in fast 140 Jahren nicht grundsätzlich verändert?
Aus diesen Ideen ergeben sich Forderungen die das konkrete Leben betreffen. Wir können also die Forderungen von damals mit der Situation heute vergleichen. Eine der zentralen Forderungen 1866 in Chicago war der acht-Stunden Tag, der Versuch sich ein bisschen Freizeit zu erkämpfen. Heute geht die Entwicklung nicht in Richtung weniger Arbeit für alle, sondern im Gegenteil; wir sollen immer noch eine Schippe draufwerfen, noch ein bisschen mehr leisten in der Schule, im Job und in der Uni. Selbst wenn wir arbeitslos sind, werden wir zu völlig sinnentleerten Maßnahmen abkommandiert. Wir könnten das Arbeiten ja verlernen und uns am Ende selbst ausdenken was wir mit unserer Zeit anfangen. Dieses Regime von Disziplinierung und Kontrolle ist ein permanenter Angriff auf die Würde jedes einzelnen. Denn was uns aus jeder Bewerbung, jeder Gehaltsabrechnung, jedem Zeugnis und jedem Schreiben von der ARGE entgegenschreit ist doch das Folgende: „Du bist kein Mensch, du bist ein Rädchen in einer Maschine. Du bist nur ein Mittel zum Zweck.“ Der Zweck zu dem wir alle nur Mittel sind ist die Profitmaximierung. Der völlig sinnentleerte Zwang zur Kapitalverwertung. Das ist heute noch genau so wie vor hundertvierzig Jahren. Wir gehen am 1. Mai nicht für alte angestaubte Organisationen auf die Straße, nicht für die eine große Ideologie und auch nicht für Männer mit langen Bärten die schon seit mehr als hundert Jahren tot sind.
Wir gehen für unsere Ideen auf die Straße, für unsere Freiheit und für unsere Würde. Weil dafür immer wieder neu gekämpft werden muss und weil dies eine Reise ist, die nie zu Ende geht. Wir gehen dafür auf die Straße, dass immer wieder neu gefragt wird ob Menschen nicht besser leben können. Und wir erinnern uns an die, die vor uns denselben Kampf gekämpft haben.
Um es mit den Worten von August Spies zu sagen, der vor fast hundertvierzig Jahren für seine Ideen hingerichtet wurde:
„Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh leben!“
Kommt am 1. Mai um 14.00 Uhr zur libertären Demo am Kaiserplatz und danach um 16.00 Uhr zum Straßenfest am Frankenbad!